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Weder über die IP-Adresse noch über den Wohnsitz des Teilnehmers lässt sich beim Online-Glücksspiel mit hundertprozentiger Sicherheit beweisen, dass tatsächlich im Inland gespielt oder gewettet wurde.

Foto: dpa / Axel Heimken

Wien – Die Besteuerung der von Inländern im Internet abgeschlossenen Glücksspiele und Wetten erscheint legitim und aus Gründen des Wettbewerbs notwendig. Deshalb werden Ausspielungen elektronischer Lotterien (zum Beispiel "Online-Glücksspiel") dann mit 40 Prozent der Jahresbruttospieleinnahmen und Wetten in Höhe von zwei Prozent des Einsatzes besteuert, "wenn die Teilnahme vom Inland aus erfolgt".

Der Gesetzgeber wählt damit einen Anknüpfungspunkt an das Inland durch die Festlegung eines geografisch festlegbaren Ortes. Das Problem dabei ist nur, dass es keine geeignete massentaugliche Methode gibt, durch die der physische Aufenthalt des Teilnehmers zum Zeitpunkt des Abschlusses der Internetwette bewiesen werden kann.

Keine der denkbaren Varianten zur Feststellung des Aufenthaltsortes bringt einen direkten Beweis. Der Anbieter erhält zwar bei Abschluss eine Adresse des Internet-Protokolls (IP-Adresse), der ein Ort mittels Geolocation via IP-Nummer zugeordnet werden kann (zum Beispiel www.utrace.de). Dieser Ort muss aber nicht in allen Fällen der Ort sein, an dem sich der Teilnehmer als Sender tatsächlich aufhält.

Der Teilnehmer kann sich etwa in einem VP-Netzwerk mit einer ausländischen IP-Adresse befinden. Es wurde bereits gerichtlich festgestellt, dass nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ein Teilnehmer mithilfe der Computertechnik geografisch lokalisiert und die IP-Adressen einem Ort zugeordnet werden können. Dies ist besonders problematisch, da im Wettgewerbe rund fünf Prozent der Kunden um die 80 Prozent der Umsätze verantworten.

Speicherung verboten

Zudem dürfen aus Gründen des Datenschutzes derzeit IP-Adressen nicht gespeichert werden, was ein Spannungsverhältnis zu abgabenrechtlichen Aufzeichnungspflichten schafft. Wenn die Daten nicht aufbewahrt werden dürfen, ist außerdem eine nachträgliche Überprüfung durch die Abgabenbehörden nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund versuchten die Behörden zunächst, die Bemessungsgrundlage im Schätzungswege nach dem Verhältnis der statistisch festgestellten Auslandsaufenthalte von Inländern zu den Inlandsaufenthalten von Ausländern festzustellen. Nach einem Erkenntnis des VwGH (20.11.2014, 2013/16/ 0085) kann die Antwort auf die Frage, ob an einer Wette vom Inland aus teilgenommen wurde, aber nicht geschätzt werden, sondern muss Ergebnis einer Beweiswürdigung sein, die den Sachverhalt anhand von Indizien feststellt.

Als Indiz für die Teilnahme aus dem Inland könnte nach Auffassung des VwGH zusätzlich zur IP-Adresse die Wohnanschrift dienen, da anzunehmen ist, dass eine große Anzahl von Teilnehmern "von zu Hause" aus spielt. Doch werden Glücksspiele und Wetten immer öfter mobil (via Smartphone oder Tablet) abgegeben, sodass es zunehmend wahrscheinlich ist, dass der Teilnehmer unterwegs ist. Auch wenn dies meist im Inland sein wird, lässt sich das Ausmaß allenfalls durch Umfrage statistisch schätzen oder einzeln erfragen, aber nicht für den Einzelfall zweifelsfrei feststellen. Somit kann der die Steuerpflicht auslösende Tatbestand wiederum nur geschätzt werden, was der VwGH eben als unzulässig erkannt hat.

Widersprüchliche Merkmale

Sind schon beide Merkmale, Wohnsitz und IP-Adresse, für sich gesehen mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet, wird das Ergebnis durch die Zusammenschau beider Merkmale in vielen Fällen nicht besser. Denn sie können sich allzu leicht widersprechen. So kann ein Inländer während eines Urlaubsaufenthalts vom Ausland aus teilnehmen, was sich in der Geolocation via IP-Adresse widerspiegeln könnte, oder umgekehrt ein Ausländer sich im Inland aufhalten. Welches Indiz sollte in diesen Fällen dann den Ausschlag für die Zuordnung zum In- oder Ausland geben?

Die Teilnahme an der Wette oder dem Spiel vom Inland aus kann daher anhand der vom VwGH angeführten Merkmale auch im Rahmen des Indizienbeweises für den Einzelfall nicht widerspruchsfrei festgestellt werden. Daraus ergeben sich ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken.

Da es offensichtlich technisch nicht möglich ist, verlässlich festzustellen, ob ein registrierter User an einer Wette oder einem Glücksspiel vom Inland aus oder vom Ausland aus teilnimmt, wird für den Tatbestand der "Teilnahme vom Inland aus" das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art 18 B-VG) nicht erfüllt. Dadurch ist auch der Gleichheitssatz (Art 7 B-VG) gefährdet. Gerade im Steuerrecht hat der Gesetzgeber die rechtsstaatliche Verpflichtung, die Steuertatbestände so zu umschreiben, dass sie gleichmäßig angewendet werden können.

VfGH sollte prüfen

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat diese Bedenken bisher nicht aufgegriffen. Eine umfassende Auseinandersetzung des Gerichtshofes wäre aber schon deshalb wünschenswert, weil die Frage, ob beim Glücksspiel im Internet Steuerpflicht besteht, in diesen Konstellationen weder vom Steuerpflichtigen bei der Selbstbemessung noch von der Finanzverwaltung zweifelsfrei bejaht oder verneint werden kann (vgl. Aigner/Kofler/Moshammer/Tumpel, Taxlex 2015, S. 296).

Auch der Gesetzgeber wäre gefordert, nur solche Anknüpfungsmerkmale auszuwählen, die technisch tatsächlich umsetzbar sind. Eine verfassungskonforme Lösung wäre möglich, wenn die Steuerpflicht beispielsweise statt an den Aufenthaltsort bei der Teilnahme an den Wohnsitz des Teilnehmers anknüpfen würde, der sich bei der ohnedies notwendigen Prüfung seines Identitätsausweises ergibt. (Michael Tumpel, 21.12.2015)